Datenschutzrechtliche Anforderungen an die Arbeitszeiterfassung per Fingerprint
16. Februar 2020
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, im Beschäftigungsverhältnis die Arbeitszeit zu erfassen. Dies kann beispielsweise die klassische Stechkarte sein, schriftliche Aufzeichnungen auf Papier, eine Excel-Tabelle, eine Zeiterfassungssoftware oder aber auch die elektronische Zeiterfassung per Chipkarte. Mit einer Neuerung auf diesem Gebiet, nämlich der Arbeitszeiterfassung per Fingerprint, musste sich das Arbeitsgericht Berlin (Urteil vom 16.10.2019, Az. 29 Ca 5451/19) befassen. Das Urteil zeigt, dass Arbeitgeber auch hierbei das Datenschutzrecht zu beachten haben.
Sachverhalt
In dem Urteil geht es um einen Arbeitnehmer, der u. a. zweimal von seinem Arbeitgeber abgemahnt wurde, weil er sich geweigert hatte, seine Arbeitszeit per Fingerprint zu erfassen.
Die Mitarbeiter des Arbeitgebers hatten ihre geleisteten Arbeitszeiten ursprünglich handschriftlich notiert.
Zum 1. August 2018 führte der Arbeitgeber dann die Zeiterfassung per Fingerprint ein. Zu diesem Zweck werden zunächst aus dem Fingerabdruck sogenannte Minutien (individuelle, nicht vererbbare Fingerlinienverzweigungen) mittels eines speziellen Algorithmus extrahiert und in einem Datensatz im Zeiterfassungsterminal gespeichert. Bei der An- und Abmeldung des Mitarbeiters wird dann der Minutiendatensatz zum Abgleich des Fingerabdrucks verwendet.
Die Entscheidung des Gerichtes
Das Arbeitsgericht Berlin hat den Arbeitgeber verurteilt, die Abmahnungen aus der Personalakte zu entfernen, da der klagende Arbeitnehmer nicht verpflichtet war, die Zeiterfassung per Fingerprint zu nutzen. Denn für diese Art der Zeiterfassung gab es keine Rechtsgrundlage.
Das Gericht stellt in seinem Urteil zunächst fest, dass es sich bei dem Minutiendatensatz um biometrische Daten nach Art. 9 Abs. 1 DSGVO und besondere Kategorien personenbezogener Daten im Sinne von § 26 Abs. 3 BDSG handelt. Erlaubnistatbestände aus Art. 9 Abs. 2 DSGVO, die nach Ansicht des Gerichtes eine Verarbeitung rechtfertigen würden, insbesondere eine Einwilligung oder eine Kollektivvereinbarung, liegen nicht vor.
Das Arbeitsgericht Berlin führt die rechtliche Prüfung mit § 26 BDSG fort, der die Datenverarbeitung für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses regelt. § 26 Abs. 1 S. 1 BDSG stellt Voraussetzungen für die Verarbeitung personenbezogener Daten auf, während § 26 Abs. 3 S. 1 BDSG spezielle Vorgaben für die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten enthält. Das Gericht trennt letztendlich nicht zwischen diesen beiden Absätzen, sondern führt unter Bezugnahme auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz eine gemeinsame Prüfung durch, ob die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten erforderlich ist. Dies wird vom Gericht verneint.
Zur Begründung führt das Arbeitsgericht Berlin aus, dass der Arbeitgeber weder vorgetragen habe, dass in der Vergangenheit bei der handschriftlichen Aufzeichnung der Arbeitszeiten erheblicher Missbrauch betrieben worden wäre, noch habe er darlegen können, dass im Fall der Einführung eines anderen Zeiterfassungssystems, bei dem keine biometrische Daten gespeichert werden, Missbrauch in erheblichem oder auch nur in nennenswertem Umfang zu befürchten wäre. Der Arbeitgeber habe auch nicht behauptet, dass der klagende Arbeitnehmer in der Vergangenheit durch falsche Arbeitszeitangaben aufgefallen wäre.
Das Gericht kommt somit zu dem Ergebnis, dass es für die Zeiterfassung per Fingerprint keine Rechtsgrundlage gab.
Stellungnahme und Empfehlungen für die Praxis
Dem Urteil ist zuzustimmen, auch wenn die Urteilsbegründung etwas unsystematisch ist.
Das Arbeitsgericht Berlin hat darauf hingewiesen, dass es zwei alternative Rechtsgrundlagen gibt, auf die die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten gestützt werden kann, nämlich eine Einwilligung oder eine Kollektivvereinbarung. Da diese im entschiedenen Fall nicht vorlagen, sollen sie nachfolgend dargestellt werden.
Die Voraussetzungen für eine Einwilligung ergeben sich aus § 26 Abs. 3 S. 2 i. V. m. Abs. 2 BDSG. Die Einwilligung ist allerdings mit zwei Problemen verbunden.
Als erstes Problem stellt sich die Frage nach der Freiwilligkeit ihrer Abgabe. Um dies zu prüfen, enthält § 26 Abs. 2 BDSG mehrere Kriterien. Danach ist für die Beurteilung der Freiwilligkeit der Einwilligung insbesondere die im Beschäftigungsverhältnis bestehende Abhängigkeit der beschäftigten Person sowie die Umstände, unter denen die Einwilligung erteilt worden ist, zu berücksichtigen. Laut dem Gesetzestext kann Freiwilligkeit insbesondere vorliegen, wenn für die beschäftigte Person ein rechtlicher oder wirtschaftlicher Vorteil erreicht wird oder Arbeitgeber und beschäftigte Person gleichgelagerte Interessen verfolgen.
Das zweite Problem liegt darin, dass die Einwilligung jederzeit vom Arbeitnehmer widerrufen werden kann.
Vor diesem Hintergrund ist einem Arbeitgeber davon abzuraten, eine Einwilligung für die Zeiterfassung per Fingerprint einzuholen. Denn das Risiko ist zu groß, dass die Einwilligung mangels Freiwilligkeit unwirksam ist. Darüber hinaus kann ein Arbeitnehmer jederzeit seine Meinung ändern und die Einwilligung widerrufen.
Nach § 26 Abs. 4 BDSG ist die Verarbeitung personenbezogener Daten, einschließlich besonderer Kategorien personenbezogener Daten von Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses, auf der Grundlage von Kollektivvereinbarungen zulässig. Dabei haben die Verhandlungspartner laut dem Gesetzestext Art. 88 Abs. 2 DSGVO zu beachten. Nach dieser Vorschrift sind die menschliche Würde, die berechtigten Interessen und die Grundrechte der betroffenen Person zu wahren. Einen vergleichbaren Regelungsgehalt hat § 75 Abs. 2 S. 1 BetrVG. Danach haben Arbeitgeber und Betriebsrat die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu schützen und zu fördern. Zum Schutz des aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG abgeleiteten allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers bedeutet dies im Ergebnis eine Prüfung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und somit auch der Erforderlichkeit wie sie bereits weiter oben dargestellt wurde. Eine Betriebsvereinbarung, die die Zeiterfassung per Fingerprint erlaubt, wäre somit unwirksam gewesen. Dies zeigt, dass auch eine Kollektivvereinbarung nicht jede Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten rechtfertigen kann.
Fazit und Ausblick
Die Arbeitszeiterfassung per Fingerprint erscheint einfach, ist aber mit erheblichen rechtlichen Problemen verbunden. Deshalb ist von ihr abzuraten.
Mit der Arbeitszeiterfassung müssen sich in Zukunft voraussichtlich alle Arbeitgeber beschäftigen. Denn der Europäische Gerichtshof (Urteil vom 14.05.2019, Az. C-55/18) hat im vergangenen Jahr entschieden, dass die EU-Mitgliedstaaten Arbeitgeber verpflichten müssen, ein System zur Arbeitszeiterfassung einzuführen. Pressemeldungen zufolge plant der deutsche Gesetzgeber aktuell, das Urteil in nationales Recht umzusetzen. In Deutschland besteht bisher nur die Pflicht, Überstunden sowie Sonn- und Feiertagsarbeit zu dokumentieren. Daneben gibt es eine generelle Aufzeichnungspflicht der Arbeitszeiten nur in bestimmten Bereichen.